Media Services: Protokolle & Standards statt Plattformen

Im Infrastruktur-Themenfeld der Beyond Platforms Initiative gilt es Alternativen zur de facto Infrastruktur der großen Plattformen zu finden. Insbesondere deren Kompexitätsreduktion, einfach die Rechte an eine Plattform übertragen oder – noch einfacher – Account erstellen und das Video hochladen und schon ist eine (weltweite) Verbreitung gesichert, sorgt dafür dass Plattformen solch eine dominanten Rolle einnehmen. Jenseits der großen Anbieter kann sich kaum jemand die Entwicklungsbudgets leisten um eine entsprechende Verbreitung in hoher Qualität zu gewährleisten. Hier gilt es anzusetzen.

Die Hürde hängt hoch, selbst die BBC hat erkannt, dass sie alleine nicht mehr mit Netflix konkurrieren kann, trotz eines frühen Starts und einer fast flächendeckenden Bekanntheit und Nutzung des iPlayers in UK. Dabei sind Alternativen dringend gefragt, denn gerade die Infrastruktur sollte neutral, offen und langlebig sein, sonst entscheiden letztlich z.B. rein ökonomische Gesichtspunkte, ob ein Archiv noch vorgehalten wird oder, wie im Falle von MySpace, die Inhalte „verloren“ gehen.

As the media scholar José van Dijck and her co-authors lay out in their recent book The Platform Society , squeezed between two platform ecosystems of China and the US, it is “crucial for Europe to develop an encompassing strategy with regard to platform societies – both in economic market terms and in ideological-political terms”.

Hossein Derakhshan

Video Services: Was gehört zur Infrastruktur?

Eine Infrastruktur für Video Services bringt eine Reihe von Herausforderungen mit sich: Es gilt

  • große Videodateien mit komplexen Rechten zu managen.
  • sicherzustellen, dass diese auf unterschiedlichsten Geräten vom low-cost Smartphone bis zum high-end 4K-Fernseher wiedergegeben werden können.
  • die Steuerung der Publikation, des Zugriffs und die Zusammenstellung der Inhalte zu verwalten.
  • ggf. Nutzer*innen-Profile und Zugriffe zu verwalten.
  • eine Archivierung der Videos abzusichern.
  • Streaming, Livestreaming und ggf. Interaktivität sowie ein selbstbestimmtes Abspielen der Videos zu gewährleisten.
  • eine Erfassung verschiedener Nutzungsmetriken zu ermöglichen.

Der Technologie-Stack reicht hierbei unter Anderem vom Hosting, Content Delivery Networks, Transcoding, Streaming, DRM, Playern über Apps für TV, Tablets und Smartphones bis hinzu Media-/Asset- und Content Management Systemen und vielem mehr.

Welche Anforderungen bestehen an eine Lösung?

“By componentizing hardware design makes it easier for providers to enter the resource market and cheaper for the one building infrastructures.“

Platform Design Toolkit (PDF)

Hinter jeder dieser Komponenten stehen tiefgreifende Entscheidungen, die oftmals zu langfristigen Abhängigkeiten führen. Nicht nur lassen sich einzelne Komponenten momentan nicht einfach kombinieren, sondern die Kombinationen müssen integriert werden, was wiederum dazu führt, dass ein Wechsel der Komponenten nicht nur eine Migration der Daten, sondern auch eine erneute Integration notwendig macht. Dadurch erhalten Infrastruktur- und Technologie-Entscheidungen ein enormes Gewicht und gelten für Jahre. Schnelle Korrekturen und Änderungen sind nach der Entscheidung nicht mehr möglich.

Eine praktikable Alternative muss es also nicht nur schaffen, die einzelnen Komponenten in einer hohen Qualität zur Verfügung zu stellen, sondern auch dafür sorgen, dass die Kombination und der Austausch einzelner technischer Komponenten einfach und reibungslos möglich ist.

„Compare the problem of Twitter spam to the problem of email spam. Since Twitter closed their network to 3rd-party developers, the only company working on Twitter spam has been Twitter itself.“

Chris Dixon, Why Decentralization Matters

Zudem sollten die Hürden für Anbieter einzelner Komponenten möglichst gering sein, damit eine Vielfalt an Lösungen und damit auch Wettbewerb gewährleistet ist. Hierbei spielen natürlich auch die Anreize eine entscheidende Rolle: Wie werden Anbieter entlohnt? Wie wird sicher gestellt, dass Open Source-Komponenten nicht nur entwickelt sondern auch maintained werden? Auch der Umfang und die Basisanforderungen der einzelnen Infrastruktur-Komponenten müssen definiert werden: lassen sich all die Technologien in größere Blöcke wie bspw. Publishing Services (Apps, CMS, …), Video Services (Hosting, Content Delivery Networks, Transcoding, Streaming, DRM, Player …), Archive (Asset Management, Hosting, …) und Daten (Analytics, Tracking, …) kombinieren, oder braucht es kleinteiligere Lösungen? Was müssen die Lösungen mindestens leisten? Wie werden sie kombiniert und verwaltet?

Welche Lösungsansätze sind denkbar?

Protokolle ermöglichen Partizipation.

„Open platforms with public opt-in rules that can grow fast and quasi-exponentially, may be the future disruptors of brand controlled, centralized platforms.“Platform Design Toolkit (PDF)

Protokolle könnten eine Möglichkeit sein einen Austausch und eine Kombination der verschiedenen Infrastruktur-Komponenten zu ermöglichen sowie deren Entwicklung und Betrieb zu incentivieren. Hier gibt es erste Beispiele wie LivePeer (A Decentralized Live Video Broadcast Platform and Crypto Token Protocol), die ihre Infrastruktur über Ethereum managen und skalieren. Mit diesem Prinzip können weitere Infrastruktur-Partner partizipieren und Nutzer*innen einfach zwischen den Partnern wechseln.

Im Mobilitätssektor bietet iomob (iomob combines open source and blockchain technology to create the future of MaaS: Mobility Marketplaces. Any participant can interact and connect with any other.) eine Logik, die es erlaubt über beliebige Apps auf eine gemeinsame Datenbasis zuzugreifen, zu bezahlen und letztlich verschiedenste (kleinst) Anbieter für eine multimodale Route eines Reisenden zusammenzubringen.

Das IPFS (A peer-to-peer hypermedia protocol to make the web faster, safer, and more open.) geht sogar soweit, dass es HTTP ablösen möchte um Medieninhalte effektiver und zuverlässiger auszuliefern.

If they can win their hearts and minds, they can mobilize far more resources than GAFA, and rapidly outpace their product development.

Chris Dixon, Why Decentralization Matters

Standards erlauben Vielfalt.

Apples de facto Standard für Podcasts zeigt, wie ein Ökosystem entstehen kann, in dem jeder Publisher seine Inhalte mittels seiner eigenen Infrastruktur bereitstellt und gleichzeitig unterschiedlichste Player, Apps, Portale, Publisher und Plattformen um die Gunst der Nutzer konkurrieren um diesen Zugang und den Konsum der Inhalte zu ermöglichen.

Die Vorgaben aus der Payment Service Directive 2 zur Bereitstellung von Schnittstellen ermöglichen es Anwendungen wie MoneyMoney, StarMoney und anderen Funktionalitäten und Services auf Basis existierender Konten bereitzustellen. Selbst offene Schnittstellen proprietärer Plattformen, wie die einstige Twitter-API oder auch Minecraft Server, ermöglichen ein reichhaltiges Ökosystem unterschiedlicher Clients, die diese Plattformen um vielfältige Features und Möglichkeiten erweitern.

Mitmachen und das Themenfeld ausgestalten

All diese Punkte skizzieren den Umfang und mögliche Ansätze um eine alternative Infrastruktur aufzubauen. Im Moment ist es mehr eine Gewissheit, dass es alternative Ansätze gibt, denn ein Plan, wie diese Ansätze konkret aussehen und erfolgreich umgesetzt werden können. Im Workshop der Beyond Platforms Initiative am 1. und 2. August in Berlin wollen wir dieses Themenfeld und die darin enthaltenen Fragen und Komponenten adressieren und konkretisieren um daraus Lösungen zu entwickeln.

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