Die Herausforderer: Neue TV Services stehen in den Startlöchern

Apple, Google, Amazon und Co. drängen in den TV-Markt. Es geht um Geld, viel Geld – mindestens 11 Milliarden Euro Werbegelder in Deutschland, die neu verteilt werden könnten. Jahrzehntelang waren diese Werbegelder den TV-Sendern vorbehalten, doch nun wittern die Internetunternehmen ihre Chance den TV-Markt auf den Kopf zu stellen.

Das liegt an zwei Entwicklungen. Erstens wird der Zugang zu TV-Inhalten jederzeit und überall immer wichtiger.

„Anywhere access is most important to disruption in the digital music industry.“

David Card, CTO von Pandora

Zweitens werden immer mehr Internetinhalte auf den Fernseher verfügbar. Sollten diese beiden Trends weiter voranschreiten, werden wir ein komplett neues Fernsehökosystem erleben. The future is about access, not ownership verkündet AirBnB CEO Brian Chesky und gibt damit die Marschroute vor. Diese Devise verfolgen so gut wie alle neuen Wettbewerber, die sich mit unterschiedlichen Strategien im TV-Markt behaupten wollen. Hier ein kleiner Überblick der verschiedenen Ansätze.

Amazon / Lovefilm

Amazon entwickelt sich zunehmend zu einem Netflix-Konkurrenten. Dazu wird Amazon Prime, nach und nach um den Zugang zu Medien und vor allem Filme und TV-Serien erweitert. In den USA erlaubt der $79 im Jahr teuere Service den Zugriff auf über 10.000 verschiedene Inhalte und die Auswahl wächst schnell. Vor einem Jahr waren es noch nicht einmal halb soviel Inhalte. Zudem ist die Amazon VoD-Applikation bereits in hunderten Geräten integriert. Mit dem Kindle Fire hat Amazon darüber hinaus eine ideale Abspielplattform für alle Prime Videos, die sie selbst kontrollieren und die sich extrem gut verkauft – es wird davon ausgegangen, dass allein dieses Jahr 6 Millionen Geräte verkauft werden.

Doch Amazon Prime ist nicht die einzige Initiative innerhalb von Amazon. In Europa wurde Lovefilm letztlich komplett übernommen und der Service betreibt gerade aktiv seinen Wandel vom DVD-Versender hin zum Streaming-Anbieter. Für Deutschland konnte sich Lovefilm kürzlich die exklusiven streaming Rechte für Paramount Filme sichern und seinen Service auf die PS3 portieren.

Netflix / Hulu

Über eine Deutschland Expansion von Netflix und Hulu wird seit Jahren spekuliert. Netflix wird wohl vorerst nicht nach Deutschland kommen, da der Service mit der Internationalisierung nach UK, Kanada, Südamerika und Spanien genügend auf dem Zettel hat und erst wieder in die Profitabilität zurück kehren muss. Hulu hingegen scheint sich vom gescheiterten Verkauf gut erholt zu haben und sondiert einmal mehr den Deutschen Markt. Sollten Hulu allerdings einen Bezahlservice in Deutschland planen könnten sie bei bitbop anfragen, wie erfolgreich so ein Service in Deutschland ist. Obwohl Netflix und Hulu in meinen Augen das größte Potential in Deutschland hätten, sehe ich keine Chance für einen erfolgreichen Markteintritt innerhalb des nächsten Jahres, sollten sich die Voraussetzungen nicht ändern.

Sony

Sony fühlt sich durch Apple an der Ehre gepackt und stellt fest, dass Apple nicht die einzigen sind, die den Fernseher revolutionieren können. Deshalb arbeitet Sony daran nicht mehr nur Fernseher zu verkaufen sondern diese direkt mit attraktiven Services und Inhalten zu koppeln. Dazu steht Sony in Verhandlungen mit den Rechteinhabern zu internetbasierten TV-Kanälen.

Neben den TV Bemühungen hat Sony massiv das eigene Videoportal Crackle ausgebaut und bietet darüber eine Vielzahl von interessanten Inhalten und Filmen an. Crackle wurde auch in die Playstation3 integriert, die nicht nur mehr Videoinhalte erhält sondern auch soziale Features, die den Videokonsum auf der Konsole attraktiver machen, indem Filme virtuell gemeinsam mit Freunden gesehen werden können.

Microsoft

Microsoft hat eine klare Vision wie das Fernsehen der Zukunft aussehen soll. Über die Kinect wird der Fernseher per Sprache, Gesten oder das Smartphone gesteuert. Die XBox erlaubt den einheitlichen Zugriff auf on demand Inhalte, TV-Programme und Internetkanäle und vereint alles unter einer Oberfläche in der die Kabelnetzbetreiber, Sender oder Plattformen nur noch als Kacheln stattfinden. Zudem bietet der Service interaktive Möglichkeiten, so können ESPN Zuschauer ihr Team anfeuern und gegen andere Fans kleine Spiele spielen. Die Kombination aus Hardware, Software und weitreichenden Partnerschaften bringt Microsoft in eine extrem gute Position. Kaum ein anderer Anbieter hat zur Zeit diese Penetration und kann die Fülle an Services und Inhalten mit einem guten Interface verbinden.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass Microsoft neben den eigenen Anstrengungen mit Mediaroom immer noch einer der größten Lieferanten für IPTV Lösungen weltweit ist.

Apple

Alle warten darauf, was Apple als nächstes tun wird und vergessen dabei, dass Apple die TV-Landschaft bereits heute umkrempelt. iTunes ist der größte VoD-Store Weltweit mit über 65% Marktanteil in den USA – die Nummer 2 (Microsoft) hat gerade einmal 16%. Sollten sich bezahlte VoDs doch wider erwarten als die Zukunft erweisen ist Apple dafür bestens gerüstet.

Neben iTunes verfügt Apple mit dem iPad über ein Gerät, dass die Sehgewohnheiten neu definiert und als individuelles Abspielgerät dem Schlafzimmer-Fernseher den Rang abläuft. Dank AirPlay und Mirroring sind die Inhalte nicht auf das iPhone oder iPad beschränkt sondern finden zunehmend auch ihren Platz auf dem Fernseher im Wohnzimmer.

Ganz nebenbei revolutioniert Apple noch das klassische Storytelling indem Filmemacher statt eines Films eine interaktive App entwickeln, die Bewegtbild als einen Teil der Experience begreift. So hat zum Beispiel Al Gore als Nachfolger von An Inconvenient Truth keinen Film gedreht sondern die App Our Choice entwickeln lassen.

All diese Entwicklungen verhelfen Apple zu einer komfortablen Ausgangslage. Sie benötigen keinen Fernseher um den Fernsehmarkt zu revolutionieren. Deshalb wird Apple erst einen Fernseher bauen, wenn es ihnen gelingt alle Inhalte über das Internet auf diesen Fernseher zu bringen. Die Auswirkungen dieses Fernsehers auf die Industrie werden dann allerdings sehr deutlich zu spüren sein.

Google / YouTube

Neben Microsoft ist Google das Internetunternehmen mit den umfangreichsten TV-Initiativen. Google TV Ads, Android/YouTube Movie Store und Google Hangouts sind ein paar der low profile Aktivitäten.

Richtig spannend könnten jedoch die neuen original Channels auf YouTube sowie GoogleTV werden. Mit den neuen YouTube Channels tritt Google nicht mehr nur als Plattformbetreiber sondern auch als Produzent auf. Google will damit den Markt entwickeln und gleichzeitig das Inhalteproblem lösen. Es ist fast unmöglich weltweite Lizenzen für TV- oder Film-Inhalte zu erwerben und falls es doch gelingt sind die Kosten astronomisch. Indem Google exklusiv Inhalte für YouTube produzieren lässt umgehen sie dieses Problem, entwickeln neue Formate, Talente und Studios und überzeugen die Zuschauer von alternativen Inhalten. In diese Initiative investieren sie erst einmal $100 Millionen. Zudem wird Google zusammen mit Disney für $10-$15 Millionen weitere exklusive Videoserien produzieren. Sollten diese neuen Formate erfolgreich werden stellen sie eine existenziellen Bedrohung für das klassische Fernsehen dar, denn dieses Vorhaben zielt darauf die Relevanz der traditionellen TV-Inhalte zu untergraben und neue Nutzungsmuster zu etablieren.

GoogleTV hingegen sichert die Distribution von YouTube und Google auf dem Fernseher. Die neuste Version des Betriebssystems ist nichts weiter als ein grafisch angepasstes Android, was die komplette App-Welt auf dem TV verfügbar macht. Die Resonanz auf die neue Version ist zudem sehr positiv und Google konnte mit Samsung und LG zwei weitere Partner gewinnen, die eine weite Verbreitung der Geräte sicher stellen sollten.

Facebook

Facebook ist die Wildcard im gesamten Spiel. Als Kommentar auf meinen letzten Artikel wurde mir gesagt, dass Facebook das eigentliche Trojanische Pferd ist. Facebook positioniert sich als Partner, Retter und Freund der TV-Sender und die Sender fühlen sich geschmeichelt. Keine Sendung, kein Sender, kein Promi der nicht bei Facebook ist. Und mit frictionless Sharing und den ersten Erfolgsgeschichten wird es nicht mehr lange dauern bis wir Fernsehsender sehen, die dies in ihre Apps und vielleicht sogar das Programm einbauen. Nicht zu letzt verkündet Facebook selbstbewusst, dass sie TV-Quoten steigern können und bittet im gleichen Zug um die EPG-Daten der Sender. Somit positioniert sich Facebook nicht als direkte Konkurrenz sondern mehr als personalisierter TV Guide. Es bleibt jedoch abzuwarten ob Facebook sich nicht doch in absehbarer Zukunft zu einer Plattform für Medien wandelt und dann könnte es ein böses Erwachen geben.

Startups

Neben all den großen Playern versuchen unzählige Startups auf die eine oder andere Art in den TV-Markt zu kommen. Einige wie vdio oder bitbop versuchen dabei mit den existierenden Anbietern zusammen zu abreiten. Andere versuchen ein Geschäftsmodell ohne Lizenzen zu etablieren. Wie viele Startups dabei denken hat gerade der Rechtsstreit zwischen Grooveshark und Universal zu Tage gefördert:

„The only thing that I want to add is this: we are achieving all this growth without paying a dime to any of the labels. […] we use the label’s songs till we get a 100 (million) uniques, by which time we can tell the labels who is listening to their music, where, and then turn around and charge them for the very data we got from them.“

Man versucht schnell ohne Lizenzverträge zu wachsen um danach eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Bei YouTube hat dies funktioniert und vielleicht wird es noch einmal bei einem anderen Service funktionieren. Das Problem für die TV-Unternehmen ist, dass es lediglich einmal klappen muss und schon haben sie ein massives Problem.

Der Markt bewegt sich

Betrachtet man diese Aktivitäten wird klar, dass zur Zeit viel Geld und Energie in neue TV-Modelle investiert wird. Klare Gewinner sind zwar noch nicht abzusehen, aber dass die TV-Industrie in 5 Jahren noch so aussieht wie heute bezweifle ich angesichts all dieser Projekte stark. Eine Strategie, die davon ausgeht, dass man seinen Markt gegen diesen Ansturm verteidigen kann, greift meiner Einschätzung nach zu kurz. Jeder TV-Sender, Produzent, Kabelnetz- und Satellitenbetreiber muss sich überlegen, welche Rolle er in einem neuen Ökosystem spielen kann und mit welchen Partnern er ins Spiel geht. Denn ähnlich wie in der Smartphone-Industrie wird auch im TV-Bereich das stärkste Ökosystem gewinnen.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo-Projektes der HTW Berlin. eVideo beschäftigt sich in ESF-geförderten, informalisierten Weiterbildungskursen mit verschiedenen Themen, um die Durchschlagskraft des Web 2.0 für die moderne Kommunikation zu erkunden.


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