Einstiegsfragen zu Videos im Internet.

Am vergangen Freitag wurde ich von Susanne Nessler vom Deutschlandradio Kultur für die Sendung „Blogspiel: Künstlerisches Publizieren in Zeiten digitaler Reproduzierbarkeit“ interviewt.

Da die mir zugesandten Fragen einen lockeren Einstieg in die Thematik bieten, habe ich sie unten aufgeführt und beantwortet.
Das eigentliche Interview hat dann natürlich eine etwas andere Richtung genommen und kann beim Deutschland Radio herunterladen werden (MP3-Datei 7,5 MB, ich bin ab Minute 24:40 zu höhren).

Wie haben Web 2.0 Applikationen (Digitalisierung und Verfügbarkeit, Vernetzung, Partizipation usw.) Produktion, Distribution und Verwertung von visuellen Medien verändert?

Bei der Produktion spielen Web 2.0 Applikationen hauptsächlich als Anreiz eine Rolle. Viele Videos werden speziell für YouTube oder andere Videoplattformen produziert.
Durch die neuen Applikationen ergeben sich natürlich ganz neue Ausdrucksformen und Formate wie z.B. Videoblogs oder Karaoke-Videos. (Die Einstiegsschwelle bei der Produktion wurde eher durch günstige und einfach Schnittlösungen und Camcorder für den Heim-Gebrauch herabgesetzt.)

Bei der Distribution haben die Applikationen zu den größten Veränderungen geführt. Vor zwei Jahren war es extrem schwer Videos ins Internet zu stellen, weil zuerst die Technik und dann die Kosten große Hürden darstellten. Videoportale wie YouTube oder in Deutschland MyVideo und Sevenload haben diese Probleme beseitigt, indem das Hochladen und Abspielen von Videos im Internet enorm vereinfacht wurde. Jetzt ist es plötzlich für Jeden möglich seine Videos im Internet zu zeigen und dafür ein Publikum zu finden und das Ganze natürlich, ohne dass man sich um die technischen Details oder über mögliche Kosten Gedanken machen muss.

Die Veränderungen bei der Verwertung sind noch nicht so weit fortgeschritten. Das liegt daran, dass Portale, die ihre User bezahlen kaum Marktanteile haben und die meisten User im Moment auch noch keinen großen Wert auf eine finanzielle Entschädigung legen, sondern viel mehr darauf hoffen eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Aber es ist ein Umbruch im Denken vieler Medienunternehmen zu erkennen. Gerade dem Fernsehen wurde klar wie wichtig es ist, dass Fernsehinhalte auch im Internet abzurufen sind. In den USA stellen Beispielsweise alle großen Sender Teile ihres Programms online bereit. In Deutschland geht das ZDF mit der Mediathek voraus, wo zum Teil Filme und Serien vor der Fernsehausstrahlung zu sehen sind.

Außerdem führte der Erfolg von YouTube dazu, dass mittlerweile fast alle diese Angebote nicht mehr nur auf der ursprünglichen Seite angesehen werden können, sondern mit dem Kopieren von einem Code-Schnipsel auch in die eigene Seite oder das eigene Blog eingebunden werden können.
Trotzdem stehen wir, was die Verwertung der Inhalte angeht noch ziemlich am Anfang, denn bis jetzt fehlt es noch an tragfähigen Werbemodelle für die Verwertung der gezeigten Videos.

Wie kann man inmitten des „visuellen Rauschens“ noch adäquat suchen, filtern und bewerten?

Gerade diese Filter sind erst im Entstehen. Momentan gibt es eine Vielzahl von Charts, die Videos nach quantitativen Merkmalen, wie die Anzahl der Videoabspiele ranken. Im Prinzip könnte man das mit einer Fernsehzeitschrift, die nach Quoten ordnet, vergleichen.
Bei der riesigen Anzahl von Videos, die dann auch noch auf verschiedene Seiten und Videoportale verteilt sind haben diese Charts meist nur eine beschränkte Aussagekraft. Es fehlt so etwas wie eine Programmzeitschrift für Internetvideos, die Videos nach qualitativen Merkmalen sortiert und einordnet. Auch die Suchmaschinen für Videos sind noch sehr ungenau und liefern oftmals Unmengen an Treffern aber die Relevanz fehlt.

Ein Ansatz das visuelle Rauschen zu bändigen sind spezielle Blogs die zu bestimmten Themen regelmäßig Videos vorstellen und so quasi als Programmführer dienen. Interessant sind auch die verschiedenen Playlist-Anwendungen, die quasi Metasender darstellen.

Die sicherste Methode gute Videos zu sehen bleibt die Empfehlung von Freunden. Diese virale Verbeitung durch Emails, Blogs und Instant Messaging ist jedoch leider nicht für alle Arten von Videos geeignet und so gibt es noch viel Luft nach oben.

Gibt es eine Tendenz zur Professionalisierung?

Auf jeden Fall wobei die Strukturen und Institutionen zum großen Teil noch nicht vorhanden sind. Aber es gibt Beispielsweise Videoblogs mit sechsstelligen Werbeeinnahmen und einem Publikum von der Größe eines kleinen Fernsehsenders. Und es gibt immer mehr Spezialisten, die genau die verschiedenen Möglichkeiten kennen im Internet mit ihren Videos Geld zu verdienen und diese geschickt nutzten. Diese Spezialisten machen es natürlich für den ambitionierten Hobbyfilmer schwerer.
Jenseits indivueller Anstrengungen stecken Plattformen und Institutionen, die Videojournalisten ansprechen und die Syndikation, die Verwertung und den Verkauf von Videos übernehmen jedoch noch in den Kinderschuhen.

Wo liegen Stärken und Schwächen von Videoplattformen wie YouTube, sevenload. usw.?

Die Stärken der Plattformen sind ihre Technologie und ihr Publikum. Die Technologie sorgt dafür, dass Videos einfach und schnell vertrieben und gesehen werden können. Das Publikum ist der Anreiz für die Produzenten Videos hochzuladen. Letzten Endes stellt das Publikum natürlich auch das Kaptial der Unternehmen dar, denn wenn es darum geht mit den Videos Geld zu verdienen sind die Anbieter auf Werbeeinnahmen angewiesen. Bezahldienste haben eher schlechte Karten.

Die größte Schwäche der Plattformen sehe ich in der fehlenden Peripherie. Ebay, Amazon oder auch MySpace sind zum Teil kleiner als YouTube aber sie schaffen ganze Industriezweige, die nur von der Plattform und dem Geschäft mit der Plattform leben. Das ist bei YouTube noch nicht der Fall. Bis jetzt haben lediglich ein paar Schauspieler in Hollywood Verträge erhalten.

Ein weiteres Problem sind natürlich die ungeklärten Rechte bei vielen Videos. Dabei geht es nicht nur um geklaute Fernsehbeiträge sondern auch um die (Hintergrund-)Musik, die es oftmals sehr schwierig macht ein Video zu veröffentlich. Auch Persönlichkeitsrechte können durch die schnelle und weltweite Verbreitung sehr einfach verletzt werden.

Werden Privatpersonen noch stärker als Produzenten auftreten?

Ich denke schon. In Deutschland gibt es da noch viel Luft nach oben. Allerdings werden auch zunehmend professionelle Inhalte verfügbar werden und es muss eine Balance zwischen den beiden Positionen gefunden werden, damit sich nicht eine Seite übergangen fühlt. Das wird eine Gratwanderung für die Videoplattformen. Auf der einen Seite die User und auf der anderen Seite das Geld und die Inhalte der Medienunternehmen.

Wird die klassische Monopolstellung von Medienunternehmen wegfallen?

Die Entscheidung, was veröffentlicht wird und was nicht hat das Internet den klassischen Medienunternehmen schon längst aus der Hand genommen. Über Blogs und Videoplattformen kann jeder seine Ansichten verbreiten. Auch glaube ich persönlich daran, dass vor allem die Kontrolle darüber wie und wann Inhalte wahrgenommen werden zunehmend zurückgehen wird. Man kann sich ja jetzt schon aussuchen ob man die Tagesschau im Fernsehen um 20:15 Uhr oder irgendwann auf dem PC oder iPod sieht. Diese Entwicklung wird weiter gehen und alle Sender und Sendungen einholen.

Welche Aufgaben stehen den Medienunternehmen dann zukünftig zu?

Ich sehe für die Medienunternehmen in Zukunft zwei mögliche Rollen. Erstens die Produktion von original Inhalten, die dann über alle Kanäle und Medien zeitgleich und ohne Einschränkung vertrieben werden. Das heißt es wird dann keine Fensterstrategie und keine Exklusivprogramme mehr geben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass es nicht hilft die Produktionskosten zu senken sondern es müssen Programme produziert werden, die der Zuschauer sehen will.

Die zweite Rolle ist die eines Aggregators. Dabei nehmen die Unternehmen eine Orientierungs- und Sammelfunktion wahr. Die Medienunternehmen produzieren nicht mehr so sehr selbst sondern sammeln und ordnen Inhalte in verschiedenster Weise. Dabei ist es dann auch egal ob es sich bei den Inhalten um professionell produzierte Sendungen oder um Beiträge von Amateuren handelt. Es zählt in diesem Geschäft die sinnvolle Bündelung der Inhalte.
Als Beispiel kann man schön Zeitungen nehmen. Zeitungen haben sich an das Fernsehen gewöhnt und so liegt jeder Zeitung ein Fernsehprogramm bei, aber sie haben sich noch nicht an die Internetvideos gewöhnt, denn auf keiner Internetseite findet sich auch nur eine Videoempfehlung.

Das kann noch weiter gehen, denn es spricht nichts dagegen, dass die Zeitungen ihren Reportern in Zukunft Kameras statt Aufnahmegeräte mit auf den Weg geben und in diesem Rahmen zu Sammelstellen für alle Inhalte der Region werden.

Gerade die letzten beiden Punkte sind die große Herausforderung bei meiner Magisterarbeit.


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