Videomarkt 2009 und ein Ausblick auf 2010

Betrachtet man das Jahr 2009 im Rückblick ergibt sich konsistent im gesamten Internetvideo-Markt ein Thema, das für fast alle Bereiche gilt: Konsolidierung. Anders als in den vorhergehenden Jahren war 2009 nicht so sehr von Innovationen oder neuen Startups geprägt, als viel mehr von einem Marktwachstum und der weitreichenden Verbesserung existierender Services. Darüber hinaus hat der Markt dafür sorge getragen, dass sich einige Anbieter aus dem Rennen verabschiedet haben.

Was ist passiert in 2009?

Videoportale

YouTube wurde vollständig in Google integriert, das umfasst nicht nur die Suche, den Login und die Vermarktung – die offensichtlichsten Veränderungen – sondern vor allem die Infrastruktur. YouTubes Videos werden nun fast ausschließlich von Googles Datencentern ausgeliefert, zudem hat YouTube stark auf eigene Hardware geachtet, so dass sie nun – ähnlich wie Google – große Kostenvorteile gegenüber allen anderen Markteilnehmern realisieren können. Es kommt nicht von ungefähr, dass YouTube so gut wie keine Bandbreitenkosten hat.

Neben der Integration hat YouTube viele ergänzende Features gelaunched, die die Marktführerschaft weiter ausbauten. Dabei ist die Bereitstellung von HD Videos in 1080p sicherlich die offensichtlichste Kampfansage an das Fernsehen.

Auch Hulu hat seinen Service, ausgehend von einem guten Start in 2008, in 2009 kontinuierlich weiter ausgebaut und konnte mit Disney einen wichtigen Partner für das Joint Venture gewinnen.

Zwischen YouTube und Hulu mussten viele andere Anbieter die Segel streichen, das betraf vor allem Angebote, die auf das premium Segment abzielten, wie Joost, das seinen Service aufgab, aber auch Veoh, das mehrere Strategiewechseln durchmachte.

Livestreaming

Ähnlich wie den Videoportalen erging es auch dem Livestreaming Segment, das sich in 2009 vermehrt auf einen Software as a Service Ansatz eingestellt hat und – mit wenigen Ausnahmen – sein Glück mit Whitelabelservices versucht. Daneben haben viele etablierte Portale und Dienste mit Livestreaming experimentiert, in einem Jahr, das dazu viele geeignete Anlässe bot.

Alternative Geräte

Zudem wurde in 2009 klar wie wichtig alternative Abspielgeräte für Videos im Netz sind. Das beginnt bei Handys (inkl. iPhone) und geht über Spielekonsolen bis hin zu Blu-Ray-Playern und Internet fähigen Fernsehern. Gerade Boxee hat mit seiner Software dazu beigetraten dieses Marktsegment zu entwickeln.

Deutscher Videomarkt

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2009 war für den deutschen Videomarkt kein gutes Jahr. Alle großen deutschen Videoangebot (Sevenload, MyVideo, Clipfish) haben stagniert und sind weiter hinter YouTube zurückgefallen.

Die privaten Fernsehsender konnten sich auf kein gemeinsames Vorgehen einigen und versuchen weiter ihre Insellösungen zu promoten und auch die öffentlichen-rechtlichen Sender konnten sich nicht zu einem konzertierten Vorgehen durchringen, was Deutschland in einem fragmentierten Niemandsland zurücklässt, das beim Konsumenten zu frustration und der Suche nach Alternativen führt.

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Bei diesen Alternativen ist Deutschland hingegen wirklich führend. Portale wie Kino.To oder Simpsons.To, die umfangreichen Zugriff auf so gut wie alle aktuellen Filme und Serien geben sucht man in den USA vergeblich.

Darüber hinaus ist Deutschland bei der Videovermarktung vorangekommen, denn Smartclip hat nun endgültig (fast) das komplette deutsche Videoinventar in seinem Portfolio, was zuerst einmal gut für Smartclip ist, das nun auch in die USA expandiert. Aber auch die Mediaagenturen und schlussendlich der gesamte Videomarkt profitieren davon, wenn das Feld von Experten bestellt wird.

Was bedeuten diese Entwicklungen für 2010? Zuerst wird es meiner Meinung nach in 2010 sicherlich nicht so beschaulich zugehen wie in 2009, zudem werden die folgenden fünf Trends das Jahr bestimmen.

1. Internet auf dem Fernseher im Wohnzimmer

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2010 wird das Jahr werden in dem das Internet im Wohnzimmer auf dem großen Screen Realität wird. Neben Internet-enabled Fernsehern wird so ziemlich jedes Gerät, das an einen Fernseher angeschlossen wird über eine Verbindung zum Internet verfügen. Nicht zuletzt WLan Chips für unter $10 überwinden schließlich auch die letzten Hürden, die einer Heimvernetzung noch im Wege stehen könnten.

2. Discovery ist die neue Herausforderung

Mit der wachsenden Vielfalt an Videoinhalten online wird ein Problem immer wichtiger, das der Auffindbarkeit: Wie finden Konsumenten gute Videos, die sie wirklich sehen wollen? Dazu bedarf es ausgefeilter Logiken, die gute Videos herausstellen und bündeln.

Die erste Antwort darauf heißt immer Recommendations, aber dass Recommendations nicht ganz trivial sind hat der Netflix Prize eindrucksvoll bewiesen. Der Preis wurde im September 2009 nach drei Jahren Arbeit endlich vergeben. Dabei war dort die Herausforderung „lediglich“ den existierenden Netflix Recommendation-Algorithmus um 10% zu verbessern. Dieses Beispiel zeigt, dass Recommendations nur bedingt die Antwort auf diese Frage sein können, denn eine gute Recommendations-Logik benötigt viele Daten, viel Zeit und viel Geld, so dass die Innovationen hier wohl eher von Amazon, Netflix und YouTube kommen werden und nicht von Startups. Nichts desto trotz erwarte ich für 2010 kreative Lösungen für dieses Problem, die wohl eher auf den Social Graph und Trending Topics zurückgreifen.

3. Photo und Video wachsen zusammen

Es fällt den Fotokamera-Herstellern schon dieses Weihnachten extrem schwer die Konsumenten von den Vorzügen ihrer Kameras zu überzeugen. Das Rennen um die meisten Pixel ist vorbei, die Bildqualität ist auch kaum mehr zu unterscheiden, also muss man sich auf Zusatzfeatures wie Smart-Autofokus, Motiv- und Lächelerkennung etc. verlegen.

Doch wie sieht es Weihnachten 2010 aus? Schon jetzt können die meisten verkauften Kameras Videos aufzeichnen und sobald es etwas teurer wird können sie es auch in HD. Da liegt es nicht mehr so fern Weihnachten 2010 dieses Feature in den Vordergrund zu stellen. Die DSLRs sind bereits recht taugliche HD Kameras – zumindest für kurze Drehs und unter Inkaufnahme einiger typischer Bildfehler.

Im professionellen Bereich gab es in diesem Jahr zudem Beispiele bei denen Fotoshootings durch Videodrehs ersetzt wurden nur um dann am Ende Fotos aus einzelnen Film-Frames zu extrahieren. Escuire hat zum Beispiel Megan Fox mit einer Red Kamera (>4K Auflösung) gedreht um anschließend aus den Frames eine Fotostrecke zu machen. Davon sind die Konsumerkameras zwar noch etwas entfernt aber die Grenzen werden 2010 noch durchlässiger werden.

4. PayTV über das Internet wird kommen – und es wird groß!

Apple treibt aktiv sein PayTV Angebot voran und will idealerweise im März launchen. YouTube ist ebenfalls auf dieser Fährte und will Subscriptions anbieten und auch Hulu hat des öfteren überlegt kostenpflichtige Abonnements einzuführen.

Die Livestreaminganbieter sind bereits aktiv dabei dieses Model zu verfolgen.

Auch wenn wir es uns in Deutschland schwer vorstellen können für Inhalte im Netz zu bezahlen, hat das Modell vor allem in den USA einen gewissen Charme, erlaubt es doch endlich die lang erwartete à la Carte Wahl beim Kabelprogramm und befreit die Konsumenten von den horrenden Kabelgebühren und dem schlechten Service.

Doch auch von der Seite der Kabelnetzbetreiber könnte sich PayTV im Netz etablieren. Comcasts TV Everywhere Initiative verlagert den Zugriff auf alle Inhalte ins Netz und es spricht nichts dagegen, dass dieser Service in der Zukunft losgelöst vom Kabelangebot vertrieben wird.

5. Integration von Distribution, Logik und Content

Das bisherige TV und Film-Geschäft war geprägt von klaren Verwertungsfenstern, die die Verbreitung und die Verfügbarkeit der Inhalte regelten. Die Contentproduzenten mussten sich dabei um die Distribution keine Gedanken machen, dann mit der Ausgestaltung des Vertragswerks war dieses Problem wohl für sie geregt und überhaupt gab es in der Regel sowieso nur einen sehr kleinen Kreis von Interessenten, die sich die Inhalte leisten konnten.

Dieses Modell steht vor einem der größten Umbrüche überhaupt. Jeder Contentproduzent hat mit dem Internet die Möglichkeit die klassische Distribution zu umgehen und seine Inhalte selbst zu verbreiten. Des Weiteren gibt es nicht mehr nur wenige ausgewählte Partner und Geräte sondern Tausende von interessierten Anbietern und potentiellen Abspielgeräten, die die Inhalte gerne verbreiten möchten, ganz davon zu schweigen, dass die User selbst die Inhalte aktiv weiter verbreiten.

Diese Entwicklung stellt die Contentproduzenten vor drei Probleme: 1) Sie müssen sich um die Distribution Gedanken machen (ProSieben ist mittlerweile beim 3. oder 4. Videodienstleister für seine Seite angelangt). 2) Sie müssen ihre Inhalte für eine Vielzahl von Partnern und Geräte aufbereiten. 3) Verträge und Urheberrecht als Schutz für die Contentproduzenten, sind nicht mehr ausreichend, da Konsumenten und findige Startups immer Umwege finden werden.

Aus diesem Spannungsfeld heraus werden wir eine Vielzahl von Kooperationen und Akquisitionen sehen, die versuchen diese Probleme gewinnbringend zu lösen. Erste Anzeichen sind die Verbindungen von drei der sechs Major Studios mit technologiegetriebenen Unternehmen: Apple hat großen Einfluss auf Disney über Steve Jobs, Sony wird mit der Strategie „Sony Online Service“ Sony Pictures in die Pflicht nehmen und Comcast hat gerade erst Universal eingekauft.

Ähnliche Deals werden im nächsten Jahr folgen, immerhin will Microsoft auch gerne auf dieser Party mitmischen, genauso wie Google. Paramount, Warner Bros. und 20th Century Fox sowie einige Kabelkanäle sind noch zu haben.

Neben der Integration von Distribution und Content wird 2010 von einer Integration von Distribution und Logik geprägt sein. Gerade erst hat Limelight Eyewonder geschluckt, was als kleiner Vorgeschmack gewertet werden kann.

Weitere attraktive Kandidaten sind alle Technologie Unternehmen die Logik Rund um Videos anbieten. Das umfasst Unternehmen, wie FreeWheel, Blackarrow und Brightroll im Videowerbemarkt und Unternehmen wie Brightcove, Ooyala und Move Networks im Videomanagementbereich aber auch Spezialdienstleister wie Visible Measures etc.

Diese Unternehmen sind vor allem für CDNs (AKAM, LVLT), Hardwarehersteller (Cisco) und Telcos interessant, die verhindern wollen, dass sie zur dummen Bitpipe werden. Diese Entwicklung können sie nur Verhindern, indem sie nicht mehr nur Hosting und Bandbreite zur Verfügung stellen, sondern auch Logik wie Assetmanagement, Authentification, Adservering und Transcoding anbieten.

Apropos Brightcove. Auch für Google würde eine Akquisition von Brightcove – siehe die Gerüchte – sehr viel Sinn machen, denn damit hätte Google endlich den Haken um sich die professionellen Inhalte an Land zu ziehen.

2010 verspricht somit ein spannendes Jahr zu werden – stay tuned!

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der monatlichen Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo Projekts der HTW Berlin.


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