TV-Infrastruktur: Kabel als Plattform

Momentan versuchen Infrastrukturanbieter von Telcos bis Kabelnetzbetreiber sich über Medien-Angebote zu differenzieren. Dabei wäre eine weitaus nachhaltigere Strategie der Aufbau einer Plattform. Eine intelligente Plattformstrategie, wertet das Netz durch ausgewählte Dienste auf und bietet Anbietern von Internet-Services und Applikationen eine Grundlage für attraktivere Produkte, die wiederum die Infrastruktur aufwerten.

Mit Unitymedia offeriert nun auch der letzte Kabelnetzbetreiber in Deutschland einen eigenes Video-on-Demand Angebot. Zwar erscheint die Erweiterung des klassischen Kabelanschlusses um ein Video-on-Demand Angebot als logischer Schritt doch noch bildet kein VoD Angebot der Kabelnetzbetreiber auch nur annähernd den Umfang eines iTunes oder Maxdomes ab. Angesichts der Komplexität der Rechteverhandlungen, der Technologien und des Betriebs stellt sich die Frage ob die Kabelunternehmen nicht mit einer Plattformstrategie besser fahren würden, bei der sie sich nicht um die Inhalte und das Interface kümmern müssen sondern sich auf die eigenen Stärken nämlich das Netz und die Infrastruktur konzentrieren. Dan Frommer von SplatF hat diesen Ansatz schön zusammen gefasst:

So, hey, cable companies: Stop worrying about losing control over the “experience” — you’re not doing a very good job with that anyway — and open the cable subscription up as a platform. You might even learn something.

In diesem Ansatz stecken viele interessante Ansatzpunkte, die die Rolle der Kabelnetzbetreiber aber auch der Telcos neu definieren könnte.

Von Außen betrachtet könnten die Infrastrukturanbieter mit wenigen zentralen Schnittstellen zum einen dafür sorgen, dass sich neue innovative Services entwickeln und zum anderen ihre eigene Position und Rolle stärken.

Authentifizierung: Zugriff jederzeit und überall

Letztlich kontrollieren die Kabelnetzbetreiber den Zugang zum Fernsehsignal. Nur leider ist dieses Signal im Koaxialkabel in der Wohnung gefangen. Indem die Kabelnetzbetrieber einen Authentifizierungsdienst anbieten, können Nutzer ihren Anschluss losgelöst von der Buchse in der Wand auch über das Internet nutzen. Damit werden neue Webservices aber auch das Place- und Deviceshifting möglich.

In den USA ist dieses Prinzip unter dem Schlagwort TV Everywhere eingeführt. Mit TV Everywhere können sich Nutzer gegenüber einer Vielzahl von Apps mit ihren Kabel-Login authentifizieren. Der Kunde muss so nicht für den gleichen Inhalt doppelt bezahlen und der Sender oder Inhalteanbieter macht sein Produkt attraktiver indem er den Komfort und die Zusatzfeatures von typischen Internet-TV Angeboten frei Haus ohne zusätzliche Kosten, wie sie zum Beispiel bei Netflix entstehen, liefert.

Access is as powerful as ownership. We have an ownership society now, but we’re moving toward an access society, where you’re not defined by the things you own but by the experiences you have.

Brian Chesky, CEO AirBnB

In Deutschland bestünde das Potential nicht so sehr in den Pay-TV Paketen sondern allein schon im komfortablen Zugang zum Free-TV Programm, gebündelt mit den Mediatheken. Die Kabelnetzbetreiber geben hiermit ihren Kunden einen Anreiz die Kabelanschlüsse zu personalisieren, denn über diese Authentifizierung wäre Fernsehen plötzlich so zugänglich wie Musik über Spotify oder Simfy.

Hardware: Die Set-Top-Box ist tot

Betrachtet man die Receiver und Set-Top-Boxen der Kabelnetzbetreiber wird man schnell an Smartphones aus der Pre-iPhone Ära erinnert. Auch hier liefern sich die Hersteller einen Feature-Wettbewerb ohne auf Ästhetik und ein gutes Interface zu achten. Die neuste Generation an Internet-Boxen hingegen zeigt deutlich wo die Reise hingeht. Diese Geräte sind entweder wie der Roku-Stick fast nicht mehr sichtbar oder haben nur noch einen minimalen Platzbedarf wie das AppleTV und die Boxee Box. Gleichzeitig bieten die Internet-Boxen deutlich bessere Interfaces und vor allem ein Ökosystem an Applikationen und Inhalten, die über das Internet abgerufen und genutzt werden können.

Natürlich könnten die Kabelnetzbetreiber selbst ein Ökosystem aufbauen aber ähnlich wie bei den VoD-Inhalten ist auch hier jeder einzelne Anbieter zu klein um eine Relevanz für Entwickler und Inhalte-Anbieter zu besitzen. Statt auf die klassische Hardware zu setzen könnten die Kabelanbieter proaktiv mit den neuen Plattformen kooperieren und versuchen ihre Services nativ in diese neuen Ökosysteme zu integrieren. Microsofts XBox Live ist ein gutes Beispiel dafür, wie verschiedene Infrastrukturanbieter von Verizon bis Comcast in einem Gerät mit ihren Angeboten vertreten sein können und gleichzeitig von der Hardware-Plattform profitieren.

Software & Services: Schnittstellen

Neben der Hardware stellen vor allem das Interface und die bereitgestellten Applikationen eine Herausforderung für Infrastrukturanbieter dar. Der klassische EPG hat in Kürze ausgedient und wird durch mobile Applikationen wie Tweek, Foundd oder Filmaster ersetzt. YouTube, VoD-Angebote wie iTunes und Streaming-Dienste wie Lovefilm und Netflix liefern Inhalte, die es nativ in das Angebot zu integrieren gilt. Zudem bieten immer mehr TV-Formate zusätzliche Inhalte und Informationen Rund um das Programm, ob auf Social Networks wie Twitter und Facebook, in eigenen Apps oder im Web.

Diese Internet-Services bieten den Nutzern mehr Inhalte, ein umfassenderes Erlebnis und einen besseren Zugang zum TV-Programm. Trotzdem fehlen ihnen noch an einigen Stellen wichtige Komponenten um eine breite Akzeptanz zu erlangen.

Erstens wissen sie nicht, was der Zuschauer gerade im TV sieht und sie müssen deshalb auf Interaktionen der Nutzer vertrauen. Zweitens können diese Services nur sehr schwer ihre Inhalte mit dem live Programm synchronisieren, da jeder Empfangsweg eine spezifische Verzögerung hat. Drittens ist es eine Herausforderung für diese Anbieter Medien und Abspielpositionen über Geräte hinweg zu synchronisieren, vor allem dann wenn der Fernseher berücksichtigt werden soll. Viertens kämpfen sie mit der Übertragung großer Datenmengen und es ist noch lange keine Selbstverständlichkeit HD-Programme über das Netz zu übertragen.

In diesen vier Bereichen ergeben sich sowohl für die Infrastrukturanbieter als auch für die Internetunternehmen interessante Möglichkeiten zur Kooperation. Die Kabel-Plattform könnte über die Bereitstellung einer Trigger-API, die Anbindung des TVs an Apps und Social Networks automatisieren. Mittels einer offenen Schnittstelle wird jeder vom Nutzer authentifizierte Dienst über die gesehenen Inhalte automatisch informiert. Damit entfallen lästige Check-Ins und die Daten erhalten eine neue Qualität. Über eine Sync-API erlaubt es die Plattform Secondscreen und Sender-Apps gleichermaßen ihren Inhalt an das TV-Programm anzupassen und verwandet Inhalte darzustellen. Zudem bietet diese Schnittstelle die Möglichkeit Abspielpositionen und Medien über Geräte hinweg zu synchronisieren, so dass der Nutzer Inhalte vom Tablet ohne Probleme auf dem TV konsumieren kann und vice versa. Letztlich bietet die Plattform Bandbreite für HD-Inhalte und garantiert die Auslieferung der Inhalte an die Endgeräte. Über diese Komponente lassen sich im besten Fall personalisierte TV-Kanäle auf den Fernseher in HD übertragen.

TV-Plattform

Mit einer Authentifizierung, der Kompatibilität zu Internet-TV Boxen und der Bereitstellung von ausgewählten Services über Schnittstellen können Kabelanbieter ihr Netz sowohl für Entwickler als auch für Kunden attraktiver gestalten. Der Fokus auf die basalen Dienste und Services befreit die Unternehmen davon mit Apple oder Amazon konkurrieren zu müssen und lässt sie gleichzeitig von den jeweils besten Lösungen in jeder Kategorie profitieren. Die tiefe Integration der Services in das Netz erlaubt beiden Seite bessere und kundenfreundlichere Lösungen anzubieten. Die Plattform kommt somit sowohl den Kabelnetzbetreibern als auch den Internetunternehmen zugute. Zudem bietet sie einen fruchtbaren Nährboden für Innovationen, die das Fernseherlebnis weiter aufwerten.


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