Sind Webisodes wirklich die Antwort?

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der monatlichen Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo Projekts der FHTW Berlin.

Seit dem Erfolg von Lonelygirl15 hat sich die Idee etabliert, dass Webisodes die natürliche Übertragung der klassischen Fernsehserie ins Web sind. Durch die frühen Experimente von MySpace mit Roommates und Bebo mit KateModern hat sich zudem die Idee verbreitet, dass Webisodes besonders gut zu Social Networks passen würden. Dabei stand wohl sowohl bei MySpace als auch bei Bebo eher das Interesse die kränkelnden Videobemühungen zu forcieren und Werbung für das Portal zu machen im Mittelpunkt der Bemühungen, als das aufrichtige Interesse an Webisodes.

Trotzdem ist es nicht verwunderlich, dass in Deutschland der Webisode Trend dankend aufgegriffen wurden und gerade die großen Fernsehproduzenten versuchen Webisodes zu produzieren und das Format voranzubringen. Es bietet sich klar an das TV Know-How auf das Web auszudehnen und sich früh als kompetenter Partner in diesem Bereich zu profilieren.

Aus diesen Überlegungen heraus sind Produktionen wie They Call us Candy Girls 1+2 (MME/ MySpace / Ford + Levis), DeerLucy (MME / BILD / Otto + Smart), die Pietshow (Grundy UFA / StudiVZ / -) und Wir sind größer als Gott (Grundy UFA / MySpace / Mars) entstanden. Doch diese Webisodes sind meiner Meinung nach keinesfalls der Beginn einer neue Form der Bewegtbildunterhaltung im Web sondern allenfalls eine temporäre Erscheinung, die auf eine intransparenz am Markt zurück geht.

Warum ist das so?

Um eine Webisodes zu produzieren setzen sich in der Regel drei Parteien an einen Tisch. Der Produzent, ein Reichweitenpartner und einer oder mehrere Sponsoren. Der Reichweitenpartner ist für die Distribution zuständig und hat dafür zu sorgen, dass ausreichend User auf die einzelnen Episoden gelangen. Zudem muss natürlich möglichst viel Presse-Buzz erzeugt werden. Der Sponsor bezahlt die Produktion und erhält dafür sowohl Productplacements innerhalb der Geschichte als auch verschiedene Promotionflächen und Logoplatzierungen in Umfeld. Der Produzent ist natürlich für die Geschichte und die Umsetzung der Produktion verantwortlich.

Dass diese Konstellationen recht fragil sind und nicht immer einfach zu handeln, zeigt „Wir sind größer als Gott„. Nach etwas Kritik von christlichen Usern ist zumindest schon mal das angedachte Casting von MySpace Usern aus dem Netz genommen. Mars und/oder MySpace waren wohl nicht sonderlich angetan von der Kritik … was aus der Webisode wird werden wir sehen.

Doch nicht nur die Fragilität der Konstruktion ist bedenklich sondern auch das Ungleichgewicht im Dreieck. Meiner Meinung nach gibt es nur einen wirklichen Gewinner bei Webisodes und das sind die Produzenten. Diese bekommen ihre sechsstelligen Produktionsbudgets finanziert und müssen außer ihre Kernkompetenz nichts weiter einbringen.

Der Sponsor auf der anderen Seite wird damit gelockt, dass man ihm eine hippe neue Zielgruppe verspricht, die er nur so online erreichen kann, kombiniert natürlich mit einem Markentransfer und dem ganze Buzz den Webisodes in der Presse erzeugen.

Der Reichweitenpartner wiederum bekommt hochwertige Inhalte – immerhin wurde für die Videos ein sechsstelliger Betrag ausgegeben – umsonst und kann sich genauso wie der Sponsor rühmen ein First-Mover zu sein.

Das Ende der Dreiecksbeziehung

Daraus wird deutlich, dass diese Dreiecksbeziehung unter verschiedenen Konstellationen nicht mehr funktioniert. Der offensichtlichste Grund ist das Ausbleiben der Presseaufmerksamkeit beim Launch einer neuen Webisode. Mit zunehmender Anzahl werden die Gründe für eine Berichterstattung immer weniger und der nette Bonus als First-Mover zu gelten ist schon jetzt aufgebraucht. Dies wird Sponsoren zu denken geben.

Eine weitere Denksportaufgabe ist die Zuschauerverteilung bei Webisodes. Performen die ersten Episoden meist enorm gut fällt das Niveau schnell ab und bleibt auf einem relativ mäßigen Durchschnitt. Anders als bei anderen Inhalten wie z.B. Shows gelingt es Webisodes nicht über die Zeit ein Publikum aufzubauen. Im Gegenteil, sie sind enorm abhängig vom Anfangs generierten Buzz und der Trafficzuleitung des Reichweitenpartners.

Genau diese Abhängigkeit realisieren die Reichweitenpartner spätestens nach dem ersten Experiment mit Webisodes und sie werden daraus Konsequenzen ziehen. Die Übernahme von einem externen Produkt, auf das der Reichweitenpartner – wenn überhaupt – nur beschränkten Einfluss hat, werden sich diese in Zukunft sicherlich bezahlen lassen. Verlangt der Reichweitenpartner Geld verändert sich das Dreieck und es werden bedeutend mehr Sponsoren benötigt um für diese Kosten aufzukommen. Das wiederum reduziert den Wert der Produktion sowohl für den Sponsor als auch für den Reichweitenpartner. Eine Webisode mit Productplacements im Sekundentakt ist selbst hochwertig produziert nicht mehr attraktiv. Sponsoren werden dann schnell feststellen, dass sie mit Videowerbung das selbe Ziel günstiger erreichen können.

Es ist also anzunehmen, dass das existierende Dreieck über kurz oder lang auseinanderbrechen wird. Mit Bebo hat schon einer der Pioniere einen partiellen Rückzug angetreten. Ab sofort werden Webisodes nicht mehr von Bebo kofinanziert. Mit der Auflösung der Dreiecksbeziehung wird auch das bisher praktizierte Format in weiten Teilen obsolet werden. Neue Themen, Werbefinanzierung, andere Zielgruppen und vor allem neue Distributionspartner werden dafür sorge tragen.

Wohin geht die Reise?

Das wichtigste, um originär für das Web produzierte fiktionale Inhalte produzieren zu können, ist die Gewissheit, dass sie gesehen werden. Es muss also ein Mechanismus gefunden werden, mit dessen Hilfe eine gewisse Zuschauerzahl garantiert werden kann. Erst wenn diese Zahl bekannt ist lässt sich die Produktion und alles weitere planen. Um ein Publikum annähernd garantieren zu können gibt es verschiedene Ansätze.

Wie oben beschrieben ist die momentan verbreitetste Lösung hierfür mit einem reichweitenstarken Portal zu kooperieren, das die Inhalte promoted und so für das Publikum sorgt.

Der aufwändigste aber auch nachhaltigste Weg ist es das Publikum über einen längeren Zeitraum auf Videoportalen und der eigenen Seite aufzubauen. Dies funktioniert natürlich nur, wenn regelmäßig neue Inhalte produziert werden und die Inhalte nicht wie Webisodes eine konstante Geschichte erzählen sondern auch noch einfach den späteren Einstieg erlauben.

Der wohl praktikabelste Ansatz hingegen wurde bis jetzt noch kaum praktiziert: Man bezahlt für die Distribution. Dieser Ansatz wird zum Beispiel von Hulu angewandt. Dabei werden ca. 20% der Erlöse an den Distributionspartner abgeben auf dessen Seite die Inhalte abgespielt werden. Aber es müssen nicht immer solche Partnervereinbarungen sein sondern es kann auch über Search Engine Marketing oder das schalten von Werbung ein definierte Publikumsgröße erreichen. Immer unter der Prämisse, dass man einen höheren Video-TKP erzielt als man für die Akquise bezahlt. Wenn man dieses Verfahren perfektioniert und standardisiert wird man an den Punkt kommen an dem man wirklich die klassischen Serien ins Web übertragen kann, weil man genauso wie ein Fernsehsender in etwa vorhersagen kann, wie viele Zuschauer eine Episode haben wird.


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