Das Ende von MyVideo und Clipfish?

ProSiebenSat.1 kann man alles andere als einen restriktiven Umgang mit den eigenen Inhalten vorwerfen. Von Podcasts über Handy-Videos, Video on Demand, bis hin zu freien Videos und Episoden werden ProSiebenSat.1 Inhalte auf so ziemlich allen Übertragungswegen angeboten. Doch trotz der breiten Streuung ist eine strategische Überlegung nicht ganz klar: Warum gibt es eine Grenze zwischen MyVideo und ProSieben.de/Sat1.de? Das eine Frage, die sich auch RTL stellen muss. Wo findet z.B. ein User RTL Aktuell Videos? Auf Clipfish, RTL.de, auf RTL-Now oder auf allen Angeboten?

Mit immer neuen Angeboten auf verschiedenen Portalen und Plattformen versuchen die Sender die frühen Erfolge von MyVideo und Clipfish zu rekonstruieren bzw. zu verlängern. Sprich sich als First-Mover in einem neuen Segment schnell Marktanteile zu sichern. Dabei sollte eigentlich längst darüber nachgedacht werden wie MyVideo und Clipfish möglichst schnell und geräuschlos abgeschaltet oder – was meiner Meinung nach die bessere Alternative wäre – zusammengelegt werden könnten.

Strukturprobleme der Angebote

Die beiden Videoangebote haben es zu einer Zeit, in der Deutschland auf der Prioritätsliste von YouTube noch unter „ferner liefen“ geführt wurde, geschafft auf eine akzeptable Größe zu wachsen. Diese frühen Erfolge konnten nur leider nicht bestätigt werden. Nachdem YouTube in deutscher Sprache angeboten wird und zudem noch aggressiv und konsequent Produzenten in Deutschland umwirbt, wird die Lage für die Portale immer schwieriger.

Zudem kommen immer mehr interne Kämpfe, die auf dem Rücken der Portale ausgetragen werden. MyVideo wird, anstatt als zentrale Plattform für alle P7S1 Inhalte zu dienen, von allen Seiten links überholt. Galileo und N24 Inhalte bei den Podcasts auf #2 (Classic und 2008 Video) sucht man auf dem Portal vergebens. Auch ganze Episoden von PopStars und Germanys Next TopModel finden sich nicht dort sondern auf ProSieben.de oder natürlich auf YouTube.

Die Überlegung scheint klar zu sein, man will die User auf den UGC Portalen anfüttern um sie dann zu den hochpreisigeren Senderseiten oder zu den Bezahldiensten wie Maxdome und RTL-Now zu lenken. Prinzipiell ist dies eine valide Überlegung. Doch genau diese Überlegung wird den Sendern in doppelter Weise zum Verhängnis.

Einserseits gehen die Überlegungen der unabhängiger Inhalteanbieter genau in die selbe Richtung, nur dass dabei der Prozess den Sendern zum Nachteil gereicht. Wie die Sender versuchen auch Produzenten Bezahlinhalte durch kleine Clips auf UGC-Portalen anzuteasern um dadurch die User zum Abo/Kauf zu animieren. Dies ist zum Beispiel bei fast allen VoD-Angeboten der Fussball-Vereine der Fall. Diese Produzenten geben ihre Inhalte aber natürlich dorthin, wo das größte Publikum für die Inhalte zu erwarten ist, und das ist bekanntermaßen YouTube. MyVideo und Clipfish gehen leer aus. Sprich die Logik der Sender macht es den Produzenten vor und sorgt so dafür, dass sie a) weniger attraktive Inhalte für ihre Portale MyVideo und Clipfish erhalten und b) ihr größter Konkurrent viele Inhalte umsonst auf dem Silbertablett serviert bekommt.

Unsinnige Fragmentierung des Marktes

Andererseits sorgt dieses Fensterdenken (UGC > Video > VoD > DtO/DVD) und die Trennung der einzelnen Services dazu, dass der Markt unnötig fragmentiert wird. Anstatt einer zentralen Anlaufstation existieren für die Inhalte der Sender jeweils drei verschiedenen Portale. Sprich der User muss sich seine Fernsehinhalte von Pi mal Daumen 10-15 verschiedenen Seiten zusammen suchen (Senderwebseiten, +UGC- und VoD-Portale) wobei er sich zudem noch nicht einmal sicher sein kann, dass dabei nicht noch einzelne Produzenten ihre eigenen Portale oder Kanäle anderswo betreiben. Die Verwirrung der User ist also komplett und die Attraktivität der Einzelangebote liegt bei weitem unter dem, was sie als Pool erreichen könnten.

Aus der getrennten Weiterentwicklung und Pflege verschiedener Angebote ergibt sich zudem eine ganz andere Kostenstruktur, die zum Nachteil der jeweiligen Einzelangebote gereicht. Jede Innovation muss mehrmals entwickelt werden, eine gemeinsame Datenbasis, zentrale Videoverwaltung und der einfache Austausch von Assets zwischen den Portalen ist nicht ohne weiteres gewährleistet. Dabei muss eine Zusammenführung der Angebote nicht zwangsläufig auf ein identisches Aussehen oder eine Vollintegration hinauslaufen, aber zumindest eine technische und inhaltliche Angleichung reduziert Entwicklungskosten und erleichtert Verhandlungen.

Auch auf der Erlösseite stellen die UGC-Portale nicht gerade die Diamanten der Sender dar. Die Umfelder und TKPs auf den UGC Portalen sind um ein vielfaches schlechter als wenn dieselben Inhalte auf den Senderseiten gezeigt werden. Auch wenn MyVideo und Clipfish in der Vermarktung mit >20% (10 Mio.[PDF] von ca. 50 Mio Video Views) Auslastung weiter sind als YouTube mit ca. 4% der Abrufe (wobei der Prozentsatz mittlerweile deutlich höher liegen dürfte) sind sie doch noch weit von einer Cash-Cow entfernt. Ganz zu schweigen davon, dass aus den UGC-Clips auf MyVideo und Clipfish kaum Kapital geschlagen werden kann. Trotzdem wird zusätzliche Arbeit und Geld in Marketing und Werbung der Portale investiert um so die Produkte voneinander abzugrenzen und jeweils bekannt zu machen.

Letzten Endes stellt sich unter diesen Prämissen für die Sender irgendwann die Frage: Stärkt man die eigene Marke (Prosieben.de) oder eine „fremde“ Marke (MyVideo.de)? Gerade wenn die Budgets geringer werden, dürfte die Antwort darauf immer deutlicher zum Nachteil der UGC-Portale ausfallen. Sprich weniger attraktive Inhalte, weniger Marketing, weniger finanzieller Spielraum für Weiterentwicklungen … eine Spirale an deren Ende nur noch wenig von den Portalen übrig bleiben würde.

Was ist zu tun?

Zuerst muss man sich die Situation vergegenwärtigen: Die Front verläuft im Internet nicht zwischen RTL und ProSiebenSat.1 sondern zwischen Google/YouTube (1,3 Milliarden Video Views) und dem Rest (ca. 191 Millionen Video Views). Wenn sich dieser Rest künstlich limitiert und aufspaltet ist es umso leichter für Google zu bestehen und alle anderen zur Bedeutungslosigkeit zu degradieren.

Zudem kann man schon jetzt davon ausgehen, dass YouTube mit ziemlicher Sicherheit nach dem ZDF auch noch alle weiteren öffentlich-rechtlichen Inhalte erhalten wird. Sprich YouTube kann dann auf Inhalte zurückgreifen, die für 43,6% Marktanteil am Fernsehschirm verantwortlich sind. Es könnte sogar soweit kommen, dass Google als technischer Dienstleister in die Presche springt, wenn den Öffentlich Rechtlichen die Kosten ihrer onlinestreaming Bemühungen zu hoch werden. Hinzu kommen – wie oben erwähnt – eine Vielzahl von freien Produzenten, die den ohnehin schon enormen Fundus von Videos auf YouTube noch weiter ergänzen.

Diesem Riesen etwas entgegenzusetzen geht nur indem die Einzelbemühungen gebündelt werden. Mindestens je Sendergruppe im Idealfall jedoch Senderübergreifend: Eine Anlaufstelle für alle Videos seien es nun UGC-Inhalte, die in diesem Fall sehr zurückstecken müssten, Serien-Clips, Podcasts, Serien-Catch-Up oder ganze Filme alles auf einem Portal. Nur so könnte man eine deutsche Konkurrenz zu YouTube etablieren.

Doch egal wie es kommt entweder mit dieser Kehrwende oder durch den Konkurrenz- und Kostendruck: für MyVideo und Clipfish wird 2009 ein sehr schweres Jahr.


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