Nutzungsdauer und Nutzungsart von Internetvideos vs. Fernsehen.

Nach dem ersten Grund für das Fernsehen folgen nun noch zwei weitere Gründe, die gegen eine allzu große Bedrohungs des Fernsehens durch Internetvideos sprechen. Nächste Woche folgen dann die Probleme und Gefahren für das Fernsehen.

Die Fernsehnutzung bleibt konstant

Wer Videos im Internet sieht schaut weniger fern. Das ist die Kernaussage die oftmals breit kommuniziert wird. Und natürlich gibt es dazu die entsprechenden Studien, die das untermauern genauso wie es Studien gibt, die feststellen, dass der Konsum von Onlinevideos zu mehr Fernsehkonsum führt.

Videostreams der Plattformen

Schaut man sich die Zahlen der Videoportale sehr großzügig an ergibt sich folgende Schätzung meinerseits. Es werden täglich in Deutschland von Sevenload 1 Millionen, Clipfish 2,5 Mio, Google Video 2,5 Mio, MyVideo 4 Mio. und YouTube 5 Mio. Videos abgerufen. Dazu kann man noch einen großzügigen Puffer von 3 Mio Videos von kleinen und anderen Diensten rechnen (SpOn, Focus, Zeec usw.). Dann kommt man auf ca. 18 Mio. Videos die täglich in Deutschland abgespielt werden. Es bleibt festzuhalten, dass es sich um eine optimistische Schätzung handelt. MyVideo hat z.B. täglich laut IVW 1.1 Mio. Unique Users und liefert 500 000 Werbeinblendungen nach Videos aus, hält man sich daran könnten die Zahlen auch deutlich geringer sein.

Eine Untersuchung der Topvideos der verschiedenen deutschen Hoster hat gezeigt, dass die durchschnittliche Dauer der Videos unter zwei Minuten liegt. Nimmt man diese zwei Minuten als Grundlage werden pro Tag 36 Millionen Minuten Internetvideos in Deutschland gesehen.

Diese Zahl klingt natürlich beachtlich aber man kann sie schnell in Relation setzten. Nimmt man den weitesten Nutzerkreis des Internets, der zur Zeit bei etwas über 36 Millionen Deutschen über 14 Jahren liegt, kann man die Nutzungsdauer auf den Einzelnen herunterbrechen. Durchschnittlich sieht der deutsche Internetnutzer also eine Minute Video pro Tag im Netz. Damit liegt Deutschland weit hinter den USA wo täglich ca. fünf Minuten Internetvideos betrachtet werden.

Fernsehnutzungsdauer

Zum Vergleich kann man diese Zahlen in Relation zum täglichen Fernsehkonsum setzen. Der Deutsche sah 2006 212 Minuten pro Tag fern die eine Minute Internetvideos fällt also nicht weiter ins Gewicht.
Um nochmals auf die Eingangs erwähnten Studien zurück zu kommen. In Befragungen der ARD/ZDF-Online-Studie geben bereits seit 1997 jeweils zwischen 25 und 35% der Befragten Onlinenutzer an weniger fern zu sehen. Im selben Zeitraum ist die Fernsehnutzung von 183 Minuten täglich auf 212 Minuten täglich kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig sollte man auch nicht vergessen dass momentan nur knapp 36% der Deutschen das Internet regelmäßig nutzen im Gegensatz zu 75% die regelmäßig Fernsehen.

Fernsehen als Lean Back Medium

Nach der Nutzungsdauer lohnt es sich auch die Nutzungsart zu betrachten. Zuerst gilt es hier die generelle Unterscheidung zwischen dem Lean-Back-Medium Fernsehen und dem Lean-Forward-Medium Internet zu beachten. Das Fernsehen ist geprägt von einer eher passiven reaktiven Konsumption. Dabei gibt das Fernsehen das Programmschema vor und erlaubt dem Zuschauer ein planvolles Sehen anhand fester Gewohnheiten und Abläufe oder ein planloses Zappen und Verweilen. Beide Nutzungsarten sind bequem und geben dem Zuschauer eine sofortige Befriedigung mit der Ausnahme, dass manchmal eben „nichts“ im Fernsehen kommt.

Dieser Mediennutzung steht die Lean Forward Nutzung des Internets gegenüber. Dabei kann der Konsument mit dem Medium und anderen Konsumenten interagieren und sogar soweit gehen, dass er wiederum zum Produzent wird.

An dieser Stelle sieht man gleich zwei Punkte an denen sich heutige Videoportale immens vom Fernsehen unterscheiden. Zuerst ist es natürlich nicht möglich YouTube anzuschalten und sich berieseln zu lassen. YouTube hat eine Zeitbeschränkung der Videos, so dass spätestens nach zehn Minuten eine weitere Interaktion erfolgen muss um ein neues Video zu sehen. Untersuchungen haben sogar gezeigt, dass Benutzer zum Teil so darauf getrimmt sind zu klicken und im Internet zu navigieren, dass sie Videos sehr schnell abbrechen und zu einem anderen Video wechseln, wenn Alternativen angeboten werden.

Dieses Verhalten kann man jedoch nicht mit dem Zappen beim Fernsehen vergleichen, da es anders als beim Fernsehen keine klare Erwartungshaltung dazu gibt was ein User nach dem Klick vorfindet. Beim Fernsehen sind bestimmte Zeiten, Senderprofile und Programmschemata so in den Köpfen der Zuschauer, dass sie oftmals bereits vorher wissen was sie sehen werden, wenn sie den Sender wechseln.

Dieser Punkt führt direkt zum zweiten Punkt nämlich zur Länge der Inhalte. YouTube begrenzt Videos auf zehn Minuten andere Portale haben ähnliche Begrenzungen seien es nun Kapazität- oder Zeitgrenzen. Ein Tatort oder Hollywoodspielfilm schafft es zwar immer wieder in zehn Minutenschnipseln ins Internet aber das Filmerlebnis lässt dann in Hinblick auf Qualität und Bequemlichkeit deutlich zu wünschen übrig. Man kann zwar Filme legal oder illegal herunter laden jedoch sehe ich dies eher als fragwürdig Konkurrenz zum DVD-Geschäft und weniger als Bedrohung für das Fernsehen.

Primetimes Fernsehen und Internetvideos

Die Nutzungsart des Fernsehens und der Internetvideos unterschiedet sich jedoch nicht nur im Grad der Interaktion und der Bequemlichkeit sondern auch in der Zeit. Die beliebteste Zeit zum Konsum von Internetvideos ist unter der Woche zwischen fünf und acht Uhr Abends. Bei vielen Streamingangeboten in den USA kann man schon allein am so genannten Boss-Button erkennen, dass auch die Büronutzung eine sehr wichtige Rolle spielt.

Das Fernsehen hingehen hat seine Primetime zwischen Acht und Elf Uhr abends. Die Primetimes stehen sich somit nicht direkt im Wege. Weiter Studien haben sogar gezeigt, dass sich Fernsehen und Internet vertragen. Zwei drittel der Amerikaner hat schon ferngesehen während sie im Internet surften.

Zwischen Fazit

Videoplattformen im Internet bedienen also primär das Bedürfnis zur Kommunikation über Fernsehen oder über eigene Erlebnisse. Die Nutzungsdauer von Internetvideos ist mit einer Minute pro Tag noch sehr gering und die Fernsehnutzung stieg in den letzten Jahren trotz der Konkurrenz durch das Internet weiter an. Letzten Endes werden Fernsehen und Internetvideos offensichtlich unterschiedlich genutzt. Internetvideos als Lean-Forward-Medium fordern einen aktiven Zuschauer, der sich maximal zehnminütige Videos ansieht und durch sie navigiert, wohingegen das Fernsehen als Lean-Back-Medium den bequemen und inaktiven Konsumenten bedient.

Dies sind drei Gründe die dafür sprechen, dass sich das Fernsehen in den nächsten fünf Jahren – zumindest durch Internetvideos – nicht grundlegend verändern wird. Es gibt andere Technologien, wie digitale Videorekorder, IPTV, Video on Demand Dienste und Internet-Set-Top-Boxen à la Apple TV, die durchaus das Potential haben das Fernsehen in seinen Grundfesten zu erschüttern. Diese ganzen Technologien aufzuarbeiten wird dieses Blog noch einige Monate beschäftigen, ist in diesem Artikel aber nicht zu leisten.

Trotzdem allem haben auch Internetvideos die Möglichkeit, wenn schon nicht das Fernsehen an sich so doch zumindest einzelne Sender oder Formate zu verändern. Dabei ergeben sich prinzipiell drei Gefahren, die ich anhand der 1-Mrd.-Dollar-Frage und der 20 Mrd Euro Herausforderung und dem Problem der Mittelsmänner in kürze erläutern werde.


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