Vertikale Integration im Videobereich

Bewegtbild wird in den nächsten Jahren der Treiber hinter dem Trafficwachstum im Internet sein. Immer hochwertigere Videos (YouTube kann bereits 4K) und längere Videos (Hulu, Netflix, Mediatheken) tragen dazu bei, dass die benötigte Bandbreite explodieren wird. Laut Cisco versechsfacht sich der Video-Traffic in den nächsten fünf Jahren.

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Diese Entwicklung führt dazu, dass sich das Videoökosystem einem großen Wandel unterziehen wird. Insbesondere der Integrationsdruck wächst auf alle Beteiligten durch die starke Abhängigkeit von Traffic- und Videowachstum. Aus dieser Abhängigkeit ergeben sich vertikale Integrationsbestrebungen, die sich auf drei Ebenen abspielen:

  1. Content- und Service-Anbieter integrieren Infrastruktur und Distribution.
  2. Content Delivery Networks (CDN) und Infrastrukturanbieter integrieren Online Video Plattformen.
  3. Online Video Plattformen integrieren Tracking, AdServing und Application Frameworks.

Content- und Service-Anbieter

Google hat es geschafft über den Einsatz von Dark Fibers und eigene Rechenzentren YouTubes Traffickosten nahezu auf Null zu senken. Google verlässt sich fast zu 100% auf eigene Infrastruktur und betreibt mit die meisten Server weltweit. Andere Content und Service Anbieter folgen Googles Beispiel:

Ich gehe davon aus, dass noch weitere Anbieter wie Netflix und Hulu über kurz oder lang versuchen werden die Infrastruktur stärker zu integrieren. Letztlich sind Traffic und Hosting die größten Einzelpositionen bei den Distributionskosten von Bewegtbildinhalten im Netz und wer an dieser Stelle einen Kostenvorteil hat kann mehr für den Content bezahlen als die Konkurrenz.

Content Delivery Networks und Infrastrukturanbieter

Letzte Woche hat Cisco Extend Media für $80 Millionen gekauft. Extend Media ist einer von zwei Anbietern, die TV Sendern und Content Anbietern eine Plattform zum Management ihrer Assets und Videoaktivitäten anbietet. Wenn Cisco Extends Technologie integriert wird sich das Angebot von Cisco deutlich in Richtung Logik verschieben. Ein Schritt der bereits im Juni angekündigt wurde als bekannt wurde, dass Cisco Netzwerke so aufwerten will, dass Videos immer automatisch im richtigen Format an den Kunden ausliefert werden und somit für Produzenten und Contentanbieter kein Mehraufwand mehr für die Konvertierung von Videos anfällt. Während Cisco nicht direkt von Integrationsbemühungen der Content- und Service-Anbieter betroffen ist, haben die Content Delivery Networks deutlichen Handlungsbedarf.

Der Konkurrenzdruck bei den Content Delivery Networks steigt seit Jahren und verschärft sich durch die Bestrebungen der großen Internetunternehmen. Hinzu kommt dass sich durch CDN Angebote von Amazon, Google und Microsoft der Preisdruck zusätzlich erhöht, was auf die Margen schlägt. Es bietet sich also an die nächste Stufe zu integrieren um so weiter ein Preispremium verlangen zu können.

  • Limelight war in letzter Zeit am aktivsten, was Akquisitionen im Videobereich anbelangt. Zuerst wurde Kiptronic für $12 Millionen gekauft. Kiptronic konnte Werbung dynamisch in Downloadvideos einfügen und die Videos für verschiedene Mobilgeräte aufbereiten und tracken. Nach Kiptronic wurde Eyewonder für $110 Millionen gekauft. Eyewonder bietet eine Richmedia- und Video-AdServing Lösung, die interaktive Werbeformate ermöglicht. Schließlich wurde letzten Monat Delve Networks für um die $10 Millionen gekauft. Delve Networks bietet eine mit Brightcove vergleichbare Online Videoplattform als Software as a Service an. Integriert Limelight diese Zukäufe geschickt haben sie ein breites Videoangebot, das Mobile, Werbung und Online abdeckt und als zusätzlicher Service zum klassischen CDN Geschäft vermarktet werden kann.
  • Level3 hat die Akquisitionen im Videobereich bereits vor einigen Jahren getätigt. 2006 wurde Savvis‘ CDN Bereich gekauft, dadurch wurde viel Video und Rich-Media Know-How erworben. In 2007 kam dann noch Servecast hinzu, die sich auf Videostreaming und Videomanagement spezialisiert hatten.
  • Akamai hat kaum im Videobereich zugekauft, weil sie das meiste Know-How bereits Inhouse hatten. Einzig Red Swoosh wurde 2007 gekauft. Red Swoosh war Anbieter einer P2P Technologie, die das Übertragen von großen Mediendateien im Internet auf die Clients verteilen konnte. Abgesehen von dieser Akquisition hat Akamai die Logik selbst entwickelt oder versucht sich über Kooperationen mit Adobe, thePlatform und seit neustem Brightcove zu positionieren.

Die CDNs versuchen sich im Videobereich zu diversifizieren um durch eine stärkere vertikale Integration die weg brechenden Margen im Kerngeschäft durch das Geschäft mit Videoplattformen, Mobile und AdServing zu kompensieren.

Online Video Plattformen

Während es sich bei den Content- und Service-Anbietern sowie bei den CDNs um etablierte Unternehmen handelt sind die Online Videoplattform Anbieter noch relativ jung und nicht so gut mit Kapital ausgestattet als dass sie groß auf Einkaufstour gehen könnten. Deshalb finden die Integrationsbestrebungen in diesem Bereich entweder über Kooperationen oder über Eigenentwicklungen statt.

Für Videoplattformen gibt es drei Felder, die sie zusätzlich besetzen können: 1) Tracking und Statistiken 2) Werbeauslieferung und 3) Applikationen für Smartphones und Connected Devices.

Tracking und Statistiken

Ooyala hat das Videotracking von Anfang an als eines seiner Kernfeatures vorangetrieben, demgegenüber hat Brightcove erst relativ spät detaillierte Statistiken angeboten und versucht durch eine Kooperation mit Visible Measures zu punkten.

Werbeauslieferung

Eigentlich wollten die Videoplattformen Werbeauslieferung gar nicht anbieten, denn dafür gibt es mehr als genug spezialisierte Anbieter. Doch mit der zunehmenden Popularität von HTML5 Video werden die Karten neu gemischt. Für HTML5 Videowerbung hat kein Anbieter die passende Lösung bereits fertig und alle müssen neu damit beginnen. Diese Chance ließen sie sich natürlich nicht entgehen. Mittlerweile bieten Ooyala, thePlatform und Brightcove nicht mehr nur HTML5 Videoplayer an sondern auch HTML5 Videowerbelösungen.

Application Frameworks

Nachdem die Werbung integriert ist bietet sich noch ein weiteres Expansionsfeld an: Applikationen für Mobile Geräte und Connected Devices. Video wird nicht mehr nur am heimischen PC oder Laptop konsumiert und immer mehr Content Anbieter entwickeln Applikationen um ihre Inhalte auch auf Fernsehern, Spielekonsolen oder Smartphones verfügbar zu machen. Dieses Problem können Online Video Plattformen mit entsprechenden Frameworks und weiteren Hilfestellungen für ihre Kunden lösen. Kyte.TV hat bereits eine sehr breites Angebot an Frameworks für diese Zwecke und weitere Anbieter werden diesem Beispiel folgen.

Vertikale Integration

Die Beispiele zeigen wie viel im Videobereich in Bewegung ist. Die Konzentrationsbemühungen auf verschiedenen Ebenen haben Auswirkungen auf alle anderen Bereiche des Ökosystems. Insgesamt werden es wohl weniger Anbieter, die jedoch einen breiteren Umfang an Dienstleistungen anbieten. Das wiederum wird für den Kunden dazu führen, dass er mehr Inhalte in einer besseren Qualität zu einem günstigeren Preis erhält. Insgesamt wird sich das Bewegtbilderlebnis deutlich angleichen. Wir werden weniger schlechte Streams und Videoimplementationen sehen. Wenn sich die Tools und Services weiter in diesem Tempo verbessern, stehen sie bald allen zu Verfügung und es gibt keine Entschuldigung mehr für eine schlechte Videointegration.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo-Projektes der HTW Berlin. eVideo beschäftigt sich in ESF-geförderten, informalisierten Weiterbildungskursen mit verschiedenen Themen, um die Durchschlagskraft des Web 2.0 für die moderne Kommunikation zu erkunden.


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