Das Internet und die öffentlich-rechtlichen Sender

Vor rund einem Monat wurde die Tagesschau in 100 Sekunden vorgestellt.

Mit der „Tagesschau in 100 Sekunden“ bietet Deutschlands meistgesehene Nachrichtensendung den mobilen Nutzern in gewohnter, erstklassiger Qualität das Wichtigste kompakt zusammengefasst.

Zwar werden die 100 Sekunden auch auf der Homepage angeboten, trotzdem bleibt die Ironie des Schritts nicht verborgen. Noch bevor der gemeine Internetnutzer eine für das Internet optimierte Tagesschau zu sehen bekommt, erhält der mobile Nutzer seine Tagesschau in gewohnter, erstklassiger Qualität.

Ähnliches passiert gerade mit der ZDF-Mediathek. Da wird das Angebot für Windows-Media-Center PCs optimiert und auf Set-Top-Boxen gebracht aber im Internet angekommen ist es noch lange nicht. Das zeigt schon die Darstellung der Mediathek in einem Pop-Up ohne URL-Leiste gängige Webfeatures wie Deep-Links, Bookmarks oder Empfehlungen werden damit unnötig erschwert. Der Button „Link anzeigen/versenden“ ist als Selbstironie/-erkenntnis(?) aufzufassen ;)

Diese Beispiele zeigen überdeutlich, wo das generelle Problem bei der Internet-Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender liegt. Es ist schlicht die (falsche) Annahme, das Internet sei nur ein weiterer Abspielkanal und es bedürfe keiner Anpassung der Inhalte außer einer Formatwandlung und – wenn es hoch kommt – das Anbieten eines Podcast-Feeds.

Gute Ansätze

WDR Player

Dabei gibt es in der Fülle der Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender durchaus die eine oder andere Perle. Der WDR hat mit seinem WebTV Angebot zumindest eine interessante Abspielumgebung geschaffen, die nicht nur zusätzliche Informationen und Kapitel zu den Sendungen bereit hält, sondern auch noch weitere Bildinformationen, wie zum Beispiel Gebärdendolmetscher einblenden kann. Aber diese Abspielumgebung ist, wie auf fast allen Seiten der Sender, nicht in die Webseite des WDR integriert sondern wird im Pop-Up geladen und spielt auch nur ausgewählte Inhalte.

Auch der NDR hat gute Ansätze so wird z.B. Gegen die Wand als Flash-Stream angeboten und kann direkt auf der Webseite betrachtet werden. Auch einen Live-Stream des Programms im Flash-Format ist zu finden, zumindest wenn die Rechte dafür geklärt sind.

Am besten werden die Inhalte beim MDR präsentiert. Dort werden die verfügbaren Videos nicht nach Sendungen sondern nach Themen sortiert dargeboten und können dort direkt auf der Seite abgespielt und heruntergeladen werden, was zu einem einheitlichen und angenehmen Erlebnis führt.

MDR Player

Einheitliches Erlebnis? Fehlanzeige!

Links ins Nirgendwo

Genau dieses einheitliche Erlebnis sucht man auf den Seiten der verschiedenen Sender oftmals vergeblich. Links, die direkt untereinander stehen und gleich gekennzeichnet sind lösen trotzdem verschiedenen Aktionen aus (Pop-Up, Seitenwechsel, neues Fenster) obwohl man eigentlich nur eine Aktion erwartet: das dahinter liegende Video zu sehen, was nur in der Hälfte der Fälle auch geschieht.

Neben Navigationshürden liegen die Videos in den unterschiedlichsten Formaten vor. Am häufigsten setzen die Sender noch auf das Real-Video-Format um die Inhalte zu streamen. Bei neueren Angeboten kommt auch Flash-Streaming, sowie Progressive-Download zum Einsatz und das Windows-Media-Format ist auch nie weit, genauso wie die obligatorische Bandbreiten- und Player-Auswahl.

Zum Format-Dschungel kommt noch, dass die Inhalte, da sie meist in Pop-Ups abgespielt werden, nicht über einheitliche Navigationslogiken zugänglich sind. Jede Seite hat ihre eigenen Sammelbereiche, verweist wieder auf Das Erste zurück und/oder unterscheidet zusätzlich zwischen Live-Stream, Sendungen, VoD und WebTV.

Ein nachhaltiges Angebot

Für mich geht es bei den Video-Angeboten der öffentliche-rechtlichen Sender nicht primär darum, dass kurzfristige Bedürfnisse befriedigt werden oder dass sie aktuellen Trends gerecht werden. Deshalb bin ich auch kein Freund der ZDF Initiative 50% des Programms im Internet verfügbar zu machen. 50% heißt in diesem Fall nämlich 7-Tage-Online und anschließend verschwinden die Inhalte in der DVD-Verwertung. Solche Angebote kann man natürlich gut auf Messen und Events verkaufen, aber in meinen Augen wäre der Aufbau eines Archivs um ein vielfaches wertvoller.

Wenn es die Deutsche Nationalbibliothek mit ihren bescheidenen Mitteln schafft Millionen von Büchern zu katalogisieren und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so kann man doch zumindest von den öffentlich-rechtlichen Sendern erwarten, dass ihr Programmkatalog online einsehbar ist, wie mal wieder der der BBC. Im Laufe der Zeit können dann die Inhalte folgen, sobald die Rechte geklärt sind.

In der Archivfunktion liegt auch gleich eines der wichtigsten Prinzipien des Internets begründet. Hier kommt es anders als im Fernsehen nicht darauf an, wann der Beitrag vergesendet bzw. online gestellt wurde. Es gibt zwar auch im Internet Inhalte, die nach einer gewissen Zeit den Bezug verlieren oder deren Nutzung nach kurzer Zeit auf ein Minimum zurück geht aber es finden sich immer wieder Interessenten für diese Inhalte. Dabei gilt je besser die Inhalte umso eher schafft man eine konstant hohe Nutzung der Inhalte über die Zeit.

Das Ganze funktioniert jedoch nur, wenn die Inhalte zu eigenständige Einheiten geformt werden können, die auch losgelöst vom Kontext der öffentlich-rechtlichen Portalseiten funktionieren. Wie eine solche Videoeinheit aussieht, demonstrieren die Videohoster zur genüge (Seite+Video+Kurzbeschreibung+…).

Portale jenseits der Sendermarken

Neben einer angemessenen Darstellung der Inhalte muss deren Bündelung auch neu Überdacht werden. Außer beim MDR sind die Inhalte jeweils primär nach Sendungen zusammengefasst, was jedoch nur in den Ausnahmefällen bei denen die Sendung eine starke Marke aufgebaut hat (Tagesschau) Sinn macht. Für alle anderen Videos ist eine thematische Zuordnung um ein vielfaches sinnvoller.

Diese thematische Bündelung sollte nach Möglichkeit nicht an den Sendergrenzen halt machen sondern über alle ARD-Anstalten und – im Idealfall – das ZDF hinweg geschehen. Diese schlaue Bündelung gelingt jedoch nicht auf solchen Mammut-Portalen wie Das Erste, das allen ernstes versucht den Auftrag und damit das komplette Spektrum von Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung zu umfassen. Im Internet gibt es für jeden dieser Bereiche Anlaufstellen und genau solche und nach Möglichkeit noch spezifischere Portale und Plattformen bedarf es um die Videos und Beiträge der öffentlich-rechtlichen Sender angemessen im Internet zu präsentieren.

Diese Überlegung zeigt noch ein weiteres Problem. Im Internet braucht keiner den Bayerischen Rundfunk, den Saarländischer Rundfunk oder den RBB. Im Internet interessiert man sich entweder für eine Marke/Serie/Format eines dieser Sender oder für ein Thema, das von ihnen aufbereitet wurde. Beide Bedürfnisse können die öffentlich-rechtlichen Sender erfüllen, jedoch um ein vielfaches besser, wenn sie in den Hintergrund treten und ihre Inhalte den entsprechenden Themen- und Marken-Portalen zur Verfügung stellen.


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