Warteschlange und Video-Pool. Feature oder Geschäft?

Bei täglich über 65 000 neuen Videos allein bei YouTube wird es immer schwerer der Masse Herr zu werden. Nimmt man dann noch die anderen Anbieter und das Archiv hinzu ergibt sich ein riesiger Berg von Videos, in dem es die guten und relevanten Videos zu finden gilt.

Bei diesem Selektions-Prozess unterstützen den Nutzer mittlerweile nicht mehr nur Freunde mit Tipps per Email sondern eine Vielzahl von Seiten angefangen von Blogs über Ranking-Seiten bis hin zu redaktionellen Auswahlen, gibt es unzählige Angebote, die versuchen den Dschungel zu lichten.

Nur was passiert, wenn der Nutzer gerade nicht die fünf Minuten hat das Video zu sehen oder er sich nicht am richtigen Ort befindet für ein problematisches Video oder er ganz einfach das Video gerne zu Hause auf dem Sofa sehen würde? Oder wie befüllt man am besten diese ominöse Set-Top-Box, die Ibo ausführlich beschreibt?

Das Warteschlangen-Prinzip

An diesem Punkt hat mir Scott Kirsner ein wichtiges Konzept in Erinnerung gerufen, das für diese Probleme eine angemessene Lösung parat hält die Queue /(Warte-)Schlange.

Das schöne am Warteschlangen-Prinzip ist, dass es den meisten Internetnutzern bekannt ist und sich gerade im Filmbereich schon etabliert hat. Bei jedem Aufruf meines Amazons Warenkorbs sehe ich z.B. folgenden Bildschirm:

amazon warenkorb

Bei über 50 Artikeln im Warenkorb, ist das keine Überraschung und der Warenkorb ist längst mehr als nur noch ein Tool zum Einkaufen. Er dient vielmehr als Gedächtnisstütze für Bücher und DVDs, die einem Empfohlen wurden und die man vielleicht irgendwann einmal kaufen möchte. Das ist ein entscheidender Vorteil für Amazon, denn jedesmal wenn ich etwas auf der Seite einkaufen möchte, muss ich zusätzlich noch entscheiden, was ich nicht kaufen möchte und diese Artikel aus dem Einkaufswagen entfernen.

Auch die Online-Videotheken basieren auf dem Warteschlangen-Prinzip: man fügt eine DVD der Warteschlange hinzu und irgendwann, wenn sie verfügbar ist bekommt man sie zugeschickt. Diese Prinzip findet sich natürlich auch im heimischen Regal, sobald darin nicht mehr nur gesehene sondern auch neue DVDs warten. Das besondere an diesem Konzept ist, dass immer eine Vorauswahl vorhanden ist, die erst verneint werden muss bevor etwas Neues gekauft oder angesehen wird. Gerade Videohoster – YouTube versucht etwas in diese Richtung mit den Quicklists – und Video-on-Demand-Anbieter können sich dieses Warteschlangen-Prinzip zunutze machen.

Internetvideos im Video-Pool

Um das Konzept zu verdeutlichen ist das Bild einer Warteschlange sicher hilfreich, allerdings sollte dabei nicht vergessen werden, dass es in dieser Schlange keine Hierarchie gibt. Die Videos stehen also gleichberechtigt nebeneinander, weshalb ich das Ganze auch eher als einen persönlichen Video-Pool sehe.

In diesen Pool kommen alle Videos, die man eben gerade nicht ansehen kann oder will. Zusätzlich ist es natürlich denkbar, dass auch andere User einem ihre Empfehlungen in den Videopool stellen. Momentan verläuft die Virale-Verbreitung von Videos hauptsächlich über Email ab, was erstaunlich ist, denn es bedarf dazu eines Medienbruchs.

Eine wichtige Strategie für die Videohoster wäre also diese Virale-Verbreitung direkt in ihr System zu integrieren. Diese Integration lässt sich am einfachsten über den Video-Pool und die Möglichkeit der Empfehlung realisieren. Ähnlich, wie es bei del.icio.us die gibt kann ich ein Video direkt an einen anderen Benutzer und in dessen Video-Pool schicken.

Der Video-Pool ist dann das Portal oder die Startseite in den Internetvideo-Konsum und der User kann sich entscheiden ob er ein vorgemerktes Videos sehen möchte oder ob er neue Videos entdeckt. Das schöne an diesem Konzept ist auch, dass es die Syndikation der Inhalte auf eine Set-Top-Box erleichtert. Es werden eben nicht mehr irgendwelche mehr oder weniger relevanten Channels per RSS übertragen sondern der User hat seinen Video-Pool mit den Videos auf dem Fernsehen oder im Vodcast-Client, wo er sie bequem ansehen oder überspringen kann und das ganze bekommt so die Form eines Lean-Back-Mediums:

Video-pool des Democracy Players

Das Konzept lässt sich natürlich nicht nur als Feature für einen besseren Videokonsum betrachten sondern kann auch ohne weiteres zu einem Geschäft ausgebaut werden, indem man versucht Bezahl-Inhalte in den Video-Pool zu integrieren oder Werbung zwischen die einzelnen Elemente zu schalten, dazu vielleicht ein andermal mehr.

Besitz vs.Eigentum oder VoD mal richtig

Der Nutzen eines Video-Pools für die hauptsächlich frei verfügbaren Internetvideos ist nun hoffe ich hinlänglich geklärt, wie sieht es jedoch mit den Video-on-Demand (VoD) Angeboten aus? Wie kann man als T-Onlinevision, In2Movies, Arcor oder Maxdome von einem Video-Pool profitieren und wie sieht er in diesem Fall überhaupt aus?

Die verschiedenen VoD-Anbieter machen meiner Ansicht nach schon zu Beginn einen entscheidenden Fehler: Sie denken Besitz und Eigentum als eines wobei es gerade in Zeiten von Digital-Rights-Management-Systemen so einfach ist diese beiden zu trennen. Momentan erwirbt der Nutzer zuerst das Eigentum oder die Nutzungslizenz an einem Film und kann den Film dann in Form eines Downloads in Besitz nehmen. Dabei werden Abspiel-Lizenz und Film simultan übertragen. Das ist sicherlich eine Möglichkeit, jedoch keine besonders schlaue.

Fast alle Digitale Rights Management Systeme erlauben es, dass die Lizenz zum Abspielen eines Films getrennt von der eigentlichen Filmdatei übertragen wird und genau dieses Potential sollten die Anbieter nutzen und alle Filmedateien frei und ohne Anmeldung zum Download anbieten. Am besten stellen sie die Dateien in sämtliche Filesharingnetze und laden sie auf die verschiedenen illegalen FTPs.

Der Sammeltrieb und das Bedürfnis die Filme zu besitzen wird dazu führen, dass sich die Filmdateien schnell und weit verbreiten werden und das schöne daran, die Dateien werden sogar noch von Nutzer zu Nutzer über CDs und DVDs weiter gereicht werden. Deshalb bin ich auch der Ansicht, dass sich der erhöhte Traffic durch die frei heruntergeladenen Filme, die dann hin und wieder nicht gesehen/bezahlt werden in Grenzen hält, da die Verbreitung zunimmt und somit im Gesamten ein höherer Umsatz generiert wird. Am Ende hat dann jeder einzelne Benutzer ob Registriert oder nicht einen Video-Pool bei sich auf der Festplatte:

flicks filmübersicht

Hinweis: Das sind Internetvideos, die zum Download angeboten wurden und keine geschützten Inhalte.

Aus diesem Video-Pool auf der Platte kann der Nutzer dann wählen, welchen Film er betrachten möchte. Soll der Film abgespielt werden wird die entsprechende Lizenz beim Anbieter angefordert und der Benutzer muss entweder für das Abspiel bezahlen oder er führt eine vorher definierte Handlung aus. Diese vorher definierten Handlungen könnten wie folgt aufgebaut sein:
1. Lizenzanforderung für Film1: Benutzer muss einen Fragebogen ausfüllen um den Film zu sehen.
2. Lizenzanforderung für Film2: Benutzer sieht gezielte Werbung auf Grundlage der Befragung.
3. Lizenzanforderung für Film3: Der Benutzer muss einen Onlineshop aufsuchen, in dem auch das beworbene Produkt angeboten wird und der auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist.
4. Lizenzanforderung …. (ach ja das ist jetzt keine Zukunftsmusik sondern das sind Funktionen die z.B. vom Windows Media DRM unterstützt werden)

Ganz nebenbei löst der Video-Pool auf der Festplatte das Problem der oftmals mangelnden Bandbreite und der fragwürdigen Qualität der Verbindung und die Filme können immer direkt begonnen werden – mit der einen Außnahme wenn eine Interaktion zum Lizenzerwerb erforderlich ist. Der User hat also immer die Möglichkeit für den Filmkonsum aus seinem Video-Pool zu bezahlen oder ein Werbemodell zu wählen, das jedoch nicht auf klassische TV-Werbung beschränkt ist sondern viele interaktive Möglichkeiten bietet.

Das Video-Pool-Prinzip

Nocheinmal auf den Punkt gebracht geht es darum aus der Masse an Angeboten und Möglichkeiten einen kleinen Pool zu erstellen, der relevant und wichtig ist und dem Ersteller als Gedächtnisstütze und Anreiz für zukünftige Transaktionen dient. Es ergibt sich also eine personalisierte Auswahl an Videos, die dem Individuum entweder von anderen empfohlen wurden und/oder die das Individuum für einen späteren Konsum vorgemerkt hat.

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